Immer häufiger werden bei Nennung oder der Anrede von Personen im Namen der geschlechterneutralen Sprache explizit
weibliche und männliche Formen entsprechender Bezeichnungen genannt: Wähler und Wählerinnen
,
Zuschauer und Zuschauerinnen
, Bürger und Bürgerinnen
, Leser/-in
.
Zunächst waren es hauptsächlich Politiker, denen sich hier die Möglichkeit bot, mehr zu reden ohne mehr zu sagen. Mittlerweile bricht eine kaum zu ertragende Flut solcher Formulierungen über uns herein. Diese widerspricht der Idee von Spracheffizienz und Konzentration auf das Wesentliche. Zudem erschwert es das Verstehen gesprochenen oder das Erfassen gelesenen Textes. Ich kenne auch keinen Menschen, der im Alltag so spricht oder schreibt. In meinem Bekanntenkreis gibt es keine Frau, die eine solche Ausdrucksweise erwartet oder verlangt; die meisten sind so wie ich davon genervt.
Außerdem bezeichnet das so genannte neutrale Maskulinum üblicherweise Personen beiderlei Geschlechts. Beispielsweise käme wohl kaum jemand auf die Idee, dass, wenn er nach der Zahl der Einwohner seiner Heimatstadt gefragt wird, nur die Anzahl der dort lebenden Männer von Interesse ist.
Manche Wörter, wie beispielsweise Vermieter
, Gläubiger
, Schuldner
, Händler
, Bauherr
oder Arbeitgeber
, bezeichnen sowohl natürliche als auch juristische Personen. Die Formulierung
Vermieter und Vermieterinnen
erweckt den Eindruck, dass Männer und Frauen eingeschlossen sind, aber
Wohnungsbaugenossenschaften und andere wohnungsbewirtschaftende Unternehmen nicht, während das Wort
Vermieter
in dieser Hinsicht neutral ist.
Wo das hinführt, sei anhand eines Beispiels aus dem Grundgesetz verdeutlicht: In Art. 69 Abs. 3 heißt es:
Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler, auf Ersuchen des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten ein Bundesminister verpflichtet, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen.
Auf Ersuchen der Bundespräsidentin/des Bundespräsidenten ist die Bundeskanzlerin/der Bundeskanzler, auf Ersuchen der Bundeskanzlerin/des Bundeskanzlers oder der Bundespräsidentin/des Bundespräsidenten ein Bundesminister/eine Bundesministerin verpflichtet, die Geschäfte bis zur Ernennung ihrer/seiner Nachfolgerin / ihres/seines Nachfolgers weiterzuführen.
Eine Sparkassenkundin sorgte vor einigen Jahren für Schlagzeilen, weil sie explizit Formulare mit weiblicher Ansprache (Kundin, Kontoinhaberin etc.) verlangte und dieses Ansinnen gerichtlich (glücklicherweise ohne Erfolg) durchsetzen wollte. Auf Formularen haben solche künstlich aufgeblähten Formulierungen wegen des knappen Platzes und der erforderlichen Eindeutigkeit meiner Meinung nach nichts zu suchen.
Eine Einsatzgruppe der Feuerwehr besteht in Deutschland aus Gruppenführer, Maschinist, Melder, Angriffstruppführer,
Angriffstruppmann, Schlauchtruppführer, Schlauchtruppmann, Wassertruppführer und Wassertruppmann
. Damit haben auch
die meisten weiblich Feuerwehrleute kein Problem und bestehen nicht auf der Formulierung Gruppenführer/-in,
Maschinist/-in, Melder/-in, Angriffstruppführer/-in, Angriffstruppmann/-frau, Schlauchtruppführer/-in,
Schlauchtruppmann/-frau, Wassertruppführer/-in und Wassertruppmann/-frau
. Es wäre zudem ein ungerechtfertigt
hoher Aufwand, sämtliche Dienstvorschriften, Schulungsunterlagen u. ä. in diesem Sinne umzugestalten.
Letztlich ist es eine relativ kleine Gruppe von (meist weiblichen) Menschen, die der großen Mehrheit angeblich im Sinne der Gleichberechtigung ihren Willen aufzwingen wollen und unsere über Jahrhunderte gewachsene Sprache künstlich zum Negativen umgestalten möchten.
Hier sei noch ein weiteres Beispiel für die dadurch auftretenden Probleme genannt. Man betrachte folgende Schlagzeile:
Britischen Wissenschaftlern gelingt Durchbruch bei der Wiederherstellung von Gliedmaßen.
Wird die weibliche Bezeichnung zusätzlich genannt, so wird daraus:
Britischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen gelingt Durchbruch bei der Wiederherstellung von Gliedmaßen.
Die relevante Information ist doch der wissenschaftliche Erfolg. Diese umständliche Formulierung verschiebt den
Schwerpunkt des Satzes zum Unwesentlichen und lässt den eigentlichen Fortschritt unbedeutend erscheinen. Zudem ist
die Frage, ob die Aussage immer noch korrekt ist. Denn strenggenommen impliziert diese Formulierung, dass mindestens
zwei männliche und mindestens zwei weibliche Wissenschaftler an der Forschung beteiligt waren. Dies ist im Einzelfall
vielleicht gar nicht bekannt. Und vor allem: Wie müsste man den Satz formulieren, wenn ein Mann und mehrere Frauen
beteiligt waren? Einem britschen Wissenschaftler und britischen Wissenschaftlerinnen...
? Oder im umgekehren Fall:
Britschen Wissenschaftlern und einer britischen Wissenschaftlerin...
?
Auch bei zusammengesetzten Substantiven zeigen sich interessante Effekte. So müsste es konsequenterweise
Beifahrer- und Beifahrerinnensitz
, Führer- und Führerinnenschein
oder Verkehrsteilnehmer- und
Verkehrsteilnehmerinnenschulung
heißen.
In einem Zeitungsartikel laß ich neulich, dass sich die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen des Landkreises
zu einer Besprechung trafen. Wenn schon, denn schon; also muss es Bürger- und Bürgerinnenmeister und -meisterinnen
heißen. Analog spricht man dann von Schüler- und Schülerinnensprechern und -sprecherinnen
bzw.
Minister- und Ministerinnenpräsidenten und -präsidentinnen
.
Werden an einer Berufsschule Rechtsanwaltsgehilfen ausgebildet, so ist das eine Klasse von Rechtsanwaltsgehilfen,
Rechtsanwaltsgehilfinnen, Rechtsanwältingehilfen und Rechtsanwältingehilfinnen
, je nach Geschlecht des Schülers
und seines Vorgesetzten.
Während der Novemberrevolution im Jahr 1918 wurden in Deutschland vielerorts Arbeiter- und Soldatenräte
gebildet. Muss man diese mittlerweile als Arbeiter-, Arbeiterinnen-, Soldaten- und Soldatinnenräte
bezeichnen?
Im Spätsommer 2020 wurde eine Diskussion um die Einführung weiblicher Dienstgrade bei der Bundeswehr geführt.
Während man sich Kanonierin
, Gefreite
oder Unteroffizierin
durchaus vorstellen kann, klingen
Feldwebelin
, Leutnantin
, Hauptfrau
oder Majorin
doch arg gekünstelt. Und zu Fähnrich
oder Oberst
kann ich mir keine weibliche Form vorstellen. Konsequenterweise müssten auch die Dienstgradgruppen
umbenannt werden: Unteroffiziere und Unteroffizierinnen
, Offiziere und Offizierinnen
etc.
Benennt man dann die Mannschaften
in Mann- und Frauschaften
um? Letzlich wurden die Pläne nach massivem
Widerstand weiblicher Soldaten aufgegeben.
Da die explizite Nennung beider Formen anscheinend auch eingefleischten Feministinnen zu umständlich ist, haben sich verschiedene Alternativen etabliert.
Damit sind Konstruktionen wie LehrerInnen
, MitarbeiterInnen
oder Bürger*innen
gemeint.
Im Extremfall auch BürgerInnenmeisterInnen
und SchülerInnensprecherInnen
. Letzere sind, wie auch
Führer*innenschein
und Beifahrer*innensitz
, immerhin deutliche Verkürzungen.
LehrerInnenund
Lehrerinnenunterschieden werden kann.
Zudem wird bei manchen Begriffen die weibliche Pluralform nicht durch einfaches Anhängen von -innen
aus der männlichen gebildet, so dass Wortschöpfungen wie DemonstrantInnen
, StudentInnen
oder
Anwält*innen
logisch falsch sind.
Bei Bezeichnungen wie Friseur / Friseuse
oder Feuerwehrmann / Feuerwehrfrau
ist eine solche Konstruktion
dagegen gar nicht möglich.
Mittlerweile ist die Verwendung von Partizipien weit verbreitet: Studierende
statt Studenten
,
Lehrende
statt Lehrer
, Forschende
statt Forscher
oder Arbeitende
statt
Arbeiter
.
Das Studentenwerk Jena
benannte sich vor einigen Jahren mit hohem finanziellen Aufwand in
Studierendenwerk Jena
um.
Ich finde es schade, dass dadurch Sprachnuancen verloren gehen. Ein Arbeitender ist jemand, der gerade eine Arbeit verrichtet, während ein Arbeiter eine Person ist, die für einen Stundenlohn beschäftigt ist. Wenn also ein Beamter nach Feierabend seinen Rasen mäht, dann ist er ein Arbeitender, aber kein Arbeiter. Setzt sich umgekehrt ein Maurer mit einem Feierabendbier in den Garten, so ist er immer noch ein Arbeiter, aber kein Arbeitender.
Bei manchen Wörtern ist der Bedeutungsunterschied eklatant: Ein Händler ist etwas völlig anderes als ein Handelnder.
Außerdem gibt es zu vielen Begriffen gar kein zugehöriges Partizip, wie bspw. Schüler
, Experte
oder
Meister
.
Und ob das Wort Klassensprechende
allgemein verständlich ist, ist fraglich.
Auszubildendestatt
Lehrlinge.
Das grammatikalische Geschlecht eines Wortes sagt nichts über das natürliche Geschlecht der bezeichneten Person aus.
Zwar sind die meisten dieser Wörter männlich, aber es gibt durchaus auch weibliche und sächliche Bezeichnungen, die
sowohl für Männer als auch für Frauen verwendet werden: die Person
, die Geisel
, das Opfer
,
die Führungskraft
, das Individuum
, das Mitglied
, das Baby
, das Kind
,
das Idol
, das Genie
, das Model
.
Zudem ist das ausschließlich weibliche Personen bezeichnende Wort Mädchen
sächlich, da es ursprünglich der
Diminutiv zu Magd
war und Diminutive im Deutschen stets sächlich sind (vergleiche auch: Herrchen
,
Fräulein
, Männlein
, Bürschchen
oder die biologischen Bezeichnungen Männchen
und
Weibchen
).
Für manche grammatikalisch männlichen Substantive gibt es gar keine weibliche Form. Das betrifft Wörter auf -ling
(Lehrling
, Schützling
, Säugling
, Flüchtling
, Zögling
, Liebling
,
Häftling
, Sträfling
), aber auch Gast
, Mensch
, Kumpel
, Star
, Fan
oder Vorstand
.
Seltsamerweise stört sich niemand daran, wenn für negative Bezeichnungen auschließlich die männliche Form verwendet
wird. Ich habe jedenfalls noch nie Formulierungen wie Mörder und Mörderinnen
, Diebe und Diebinnen
,
Betrüger und Betrügerinnen
, Täter und Täterinnen
oder Raser und Raserinnen
gehört.
Man stelle sich vor, die Männer würden die Verwendung weiblicher Ausdrücke ablehnen und stattdessen männliche bzw.
neutrale verlangen. So müsste dann ein Tante-Emma-Laden
etwa Tante-Emma- und Onkel-Otto-Laden
heißen.
Wie soll das männliche Pendant zu Sekretärin
lauten? Der Begriff Sekretär
bezeichnet nämlich üblicherweise
ein Möbelstück. Kindergärtner
hört sich eher nach einem mit Pflanzen und Beeten beschäftigten Angestellten an.
Auch für Muttersprache
, Tochterunternehmen
, Milchmädchenrechnung
und Schwestertaxon
sollten bitte schön andere Wörter gefunden werden.
Auch die Verwendung grammatikalisch weiblicher Begriffe, wie Einsatzkraft
, Geisel
oder
Person
für Männer gehört dann auf den Prüfstand.
Besonders schlimm sind völlig überflüssige Wortneuschöpfungen, wie beispielsweise Frauschaft
(statt Mannschaft
)
oder frau
statt man
. Wenn ich mir dann noch Kreationen wie Zimmerfrau
, Stohfrau
, Schneefrau
Hinterfrauen
, Fraudeckerin
oder Streithennen
vorstelle, wird mir schlecht. Wenn eine Frau vor Erschöpfung
einschläft, wird sie dann von der Müdigkeit überfraut? Dagegen kann ich durchaus damit leben, wenn im Büro von Personentagen
statt früher von Manntagen
die Rede ist. Ich bin schon gespannt, welche Wörter in Zukunft als weibliche bzw neutrale
Alternativen zu herrenlos
, unbemannt
, Jedermann
, herrschen
, Herrschaft
, herrlich
oder
Otto Normalverbraucher
erfunden werden.
Völlig daneben ist auch die neulich erhobene Forderung, den Text der deutschen Nationalhymne zu ändern, weil darin
von brüderlich
und Vaterland
die Rede ist. Am Begriff Muttersprache
scheint sich dagegen niemand
zu stören.
Ich wünsche mir, dass